Von der Repräsentation zur Intervention
Die Vereinten Nationen im Spiegel der Kunst
Die Kuratorin Signe Theill und die Historikerin Annette Vowinckel gehen in dem von Ihnen herausgegebenen Sammelband dem Verhältnis von Politik und Kunst anhand der internationalen Organisation der Vereinten Nationen nach. Diese waren bei Ihrer Gründung nach dem 2. Weltkrieg Hoffnungsträger für einen dauerhaften Weltfrieden. Von Beginn an sollten die Künste parallel zur Politik einen Neuaufbruch bezeichnen. Dafür setzte sich der erste Generalsekretär der UN, der Norweger Trygve Lie, ein und orientierte sich dabei auch an öffentlichen Bauten seiner norwegischen Heimat.
Der chronologisch aufgebaute Band analysiert ein breites Spektrum an Kunstwerken: von der Architektur über die Kunstsammlung der Vereinten Nationen in New York, die auch Geschenke der beiden deutschen Staaten und des wiedervereinigten Deutschlands enthält. Arbeiten von zeitgenössischen Künstler*innen reflektieren die Politik und die Kunst der Vereinten Nationen, im Medium Comic wird das Verhältnis von Superheld*innen, deren Aufgabe es ist, die Welt vor dem Untergang zu bewahren und den Vereinten Nationen, an die die gleichen Weltrettungsansprüche gestellt werden, betrachtet.
Der Beitrag des Kunsthistorikers Stefan Rößler „Die Ummantelung des Politischen. Form und Politik am Beispiel der UN-Architektur“ zeigt, dass der Wille bestand, nationale Interessen und Grenzen zu überwinden Ein mit internationalen Stararchitekten wie le Corbusier, Alvar Aalto, Walter Gropius, Oscar Niemeyer und Mies van der Rohe besetztes Board of Design erarbeitete unter Leitung des amerikanischen Architekten Wallace K. Harrison den Entwurf des zukünftigen Hauptsitzes der Vereinten Nationen in New York und erschufen ein Symbol für die neue Weltordnung, das ikonografisch wurde.
Für die künstlerische Gestaltung der Innenräume benötigten die Vereinten Nationen jedoch die Unterstützung der einzelnen Nationen, da die Organisation über keine eigenen Mittel verfügte. Die ersten Werke thematisierten die Utopie eines künftigen Weltfriedens, so wie das Wandgemälde des norwegischen Künstlers Per Krohg im Sicherheitssaal der Vereinten Nationen. Dieses Bild, das eines der ersten künstlerischen Arbeiten in NY war, und bis heute zu den medial am meisten rezipierten Bildern gehört, zeugt von der Vorstellung, dass die neue Weltordnung wie Phönix aus der Asche aufsteigen sollte. In dem von der Autorin Maria Veie Sandvik verfassten Beitrag: „Sozialdemokratische Himmelfahrt – Synkretische norwegische Kirchenkunst im Sitzungssaal des UN- Sicherheitsrats“ werden sowohl Elemente der Gestaltung des Sicherheitssaals vorgestellt als auch die historischen Vorbilder der nordischen Raumgestaltung für Profanarchitektur.
Unter Dag Hammerskjöld, dem zweiten Generalsekretär der Vereinten Nationen, wuchs die Kunstsammlung am Standort New York nach nordischem Vorbild zu einer bedeutenden Sammlung an. In seiner Rede zum 25. Jubiläum des Museum of Modern Art in New York mahnte Hammerskjöld gar an, „dass die internationale Politik mit dem gleichen Geist wie die Kunst angegangen werden muss, nämlich ohne das Rüstzeug überkommener Weltanschauungen“. Künstlern und Politikern sei gemeinsam, „dass sie unkonventionelle Lösungen finden müssten.“
Die so entstandene sehr heterogene Sammlung wird von der Autorin Mafalda Dâmaso in ihrem Beitrag Die Sammlung der Vereinten Nationen unter den Prämissen ihrer Entstehung untersucht. Der Schwerpunkt liegt auf der Kunst in den Anfängen der Sammlung und ihre Funktion als „Soft Power“ welche die Politik begleitet.
Auch die Geschenke der BRD und DDR, die gleichzeitig 1973 den Vereinten Nationen beitraten, sind Gegenstand dieser Publikation. Die BRD schenkte ein Werk des gerade wiederentdeckten Künstlers Günther Fruhtrunk, einem Vertreter der geometrischen Abstraktion, die DDR eine figürliche Arbeit von Fritz Cremer, die in der DDR Gegenstand heftiger politisch/ künstlerischer Debatten in den 60iger Jahren war.
Neben diesen in den ersten Beiträgen verfolgten Gedanken zur Repräsentation von künstlerischer Gestaltung und durch künstlerische Gestaltung stellen die folgenden Beiträge Arbeiten zeitgenössischer Künstler vor, die mit künstlerisch-politischen Interventionen Stellung zum Handeln der Vereinten Nationen als politischer Korpus beziehen. Signe Theill und Peter Winkels führen mit dem Beitrag „Interventionen und Partizipation“ in die Arbeiten von Künstler*innen ein, die an der von Ihnen kuratierten Ausstellung UNITED NATIONS extended- The Vienna Dialog teilgenommen haben.
Ein großes, bisher noch nicht in diesem Zusammenhang beachtetes Medium ist der Comic. Eine Comicfigur wurde auch von den Vereinten Nationen selbst genutzt – so war Wonder Woman 2016 offizielle UN-Botschafterin. Nach heftigen Protesten der Angestellten der Vereinten Nationen musste sie ihr Amt zurückgeben. Jakob Kibala untersucht in seinem Beitrag „Gods Among Us“ sowohl die Funktion von Superheld*innen für die Selbstdarstellung der Vereinten Nationen als auch die Bedeutung der Vereinten Nationen in Superheld*innen –Comics.
Von der Repräsentation zur Intervention
Die Vereinten Nationen im Spiegel der Kunst
erscheint am 3. März 2021 im Wallstein Verlag
ISBN 978-3-8353-3794-7
Herausgeberinnen: Signe Theill und Annette Vowinckel
In der Reihe VISUAL HISTORY: BILDER UND BILDPRAXEN IN DER GESCHICHTE
Band 7
Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung
Website: www.wallstein-verlag.de
Pressekontakt
Louisa Kröning
Tel. +49 (0)551-54898-11
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